ver.di fordert erneut die Abschaffung der privaten Krankenversicherung – und die Versicherungswirtschaft schweigt dazu

Der ver.di Bundeskongress hat auf Antrag des Gewerkschaftsrates in der vorletzten Septemberwoche beschlossen, das Ergebnis der „Kommission für ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft" des DGB zur Grundlage seiner weiteren Tätigkeit auf dem Gebiet der Krankenversicherung zu machen. Diese Kommission tritt dafür ein, neu hinzkommende Versicherte nur noch in der so genannten Bürgerversicherung aufzunehmen. Im DGB-Papier heißt es: „… (nur) „falls eine verpflichtende Überführung von bisherigen PKV-Versicherten in die GKV rechtlich nicht möglich ist", (ist man beim DGB bereit,) „über Übergangsregelungen nachzudenken."

Sogar Meldungen, dass wichtige Unternehmen wie die DKV und die Central im Hinblick auf die Bürgerversicherung die private Vollversicherung aufgeben wollen, lassen die Unternehmen unbeantwortet.

Damit stellt sich eine Gewerkschaft, die die Interessen der Versicherungsangestellten vertreten will, erstmals explizit auf den Standpunkt, dass die private Krankenversicherung keine Vollversicherungen mehr anbieten darf. Zwar spricht ver.di im Beschluss von einem „geregelten Nebeneinander von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung auf der Basis gleicher gesetzlicher Vorschriften", damit bleiben aber lediglich Zusatzversicherungen erhalten. Deshalb zitiert die Begründung des Beschlusses auch das Feigenblatt aus der Vorlage des DGB: „Sollte sich die Geschäftstätigkeit der privaten Krankenversicherung durch politische Entscheidungen verändern, ist eine Beschäftigungsgarantie für die hiervon betroffenen Beschäftigten in einem integrierten Krankenversicherungssystem notwendig."

Gewerkschaftsfunktionäre sollten es besser wissen. Seitdem der Kunstharz in der chemischen Industrie Einzug gehalten hat, ist der Beruf des Harzers ausgestorben. Ein großer Teil der Beschäftigten in der privaten Krankenversicherung hat die Bearbeitung der Rechnungen der Leistungserbringer zur Aufgabe. Die gesetzliche Krankenversicherung, die nach dem Willen von ver.di für alle zur Pflicht werden soll, überweist pauschal an die Kassenärztliche Vereinigung, ohne zu wissen, welche Leistungen erbracht wurden. Und Private Krankenversicherungen werden vom Versicherungsaußendienst verkauft, der nicht in die Gesetzliche Krankenversicherung integrierbar ist.

Überhaupt beweist der ver.di-Beschluss mangelnde Sachkenntnis. Er beklagt eine „Privatisierung bei Kassen und Leistungserbringern" und begründet damit die Abschaffung der PKV. Aber gesetzliche Kassen sind nach wie vor öffentlich-rechtlich und private Versicherungen privat. Ambulante ärztliche Behandlung und medizinische Dienstleistungen, Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln, das war in Westdeutschland schon immer privatwirtschaftlich organisiert. Bei Krankenhäusern ist eine zunehmende Privatisierung festzustellen. Daran ändert die Abschaffung der privaten Krankenversicherung aber nichts.

Mit dem einseitigen Festhalten an dem Dogma nur die Einnahmenseite zu betrachten, vernichtet ver.di nicht nur Arbeitsplätze in der Versicherungswirtschaft, sondern zementiert gleichzeitig die bestehende Zwei-Klassen-Medizin. Waltraud Baier: „Die Neue Assekuranz Gewerkschaft hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass eine nachhaltige Sicherung einer guten Gesundheitsversorgung für Alle im Gesundheitssystem anfangen muss, nicht bei den Versicherungen. Es geht nicht in erster Linie darum, noch mehr Geld zu beschaffen, sondern das Geld endlich so einzusetzen, dass es den größtmöglichen Nutzen bringt."

Sie fordert von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung, alle Anstrengungen für eine bessere Betreuung ihrer Kunden zu unternehmen und damit nicht nur für den Erhalt der Arbeitsplätze zu sorgen, sondern gleichzeitig zu zeigen, dass eine umfassende medizinische Versorgung zu erschwinglichen Preisen für alle möglich ist. Klaus Roth, Mitglied des Gewerkschaftsrates der NAG: „Wir jedenfalls arbeiten mit Betriebsräten aus der Branche an einem Konzept. Das sind wir den Beschäftigten schuldig."

Die Neue Assekuranz Gewerkschaft sieht die wahre Alternative zu den heutigen Mängeln im Gesundheitssystem darin, dass in allen Lebensbereichen mehr dafür getan wird, die Gesundheit der Menschen zu erhalten. Außerdem verweist Baier auf den systemischen Vorteil der Kapitalbildung gegenüber dem sofort Kapital verbrauchenden Umlageverfahren: „Die Abschaffung der PKV bedeutet im Ergebnis, dass für hohe Gesundheitskosten im Alter überhaupt nichts mehr angespart wird."

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