Bürgerversicherung: Was ist drin in der Mogelpackung?

 

Seit dem 1. Juli 2005 zahlen die Beschäftigten mehr Krankenversicherungsbeitrag als die Arbeitgeber, aktuell zahlen sie 8,2 Prozent plus einen eventuellen Zusatzbeitrag, der Arbeitgeber kommt mit 7,3 Prozent davon. Die SPD wirbt nun für die Bürgerversicherung: „Wir stellen die paritätische Finanzierung wieder her und sorgen für mehr Gerechtigkeit bei den Beiträgen." Und wie soll das geschehen? Indem beide Seiten 7,8 Prozent bezahlen? Nein, lehrt uns das SPD-Präsidium. Stattdessen wird für den Arbeitgeberanteil die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben. „Mit diesen Veränderungen stellen wir sicher, dass sich die Arbeitgeber und Versicherten zu gleichen Teilen an der Finanzierung der Bürgerversicherung beteiligen." (Beschluss des SPD-Präsidiums vom 11.4.2011).

 

 

Im Klartext: Der Arbeitnehmer zahlt weiter 8,2 %, höchstens vom Betrag der Beitragsbemessungsgrenze, das sind 3.712,50 Euro im Monat. Als Beitrag sind dann 304,43 Euro fällig. Der Arbeitgeber zahlt weiterhin nur 7,3 %, aber auch von dem Gehaltsteil der oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Da er auch 304,43 Euro Beitrag zahlen soll, muss er seinem Beschäftigten ein Gehalt von 4.170 Euro zahlen. Zu dumm, dass dem SPD-Präsidium niemand gesagt hat, dass das Durchschnittseinkommen aller Rentenversicherten in diesem Jahr nur bei 2.522 Euro liegt. So verabschiedet sich die SPD endgültig von der paritätischen Finanzierung der Gesundheitskosten und die Bürgerversicherung wird noch mehr zur Mogelpackung.

 

 

 

Voran gegangen sind der SPD die Grünen, allerdings mit einem deutlich anderen Plan. In ihrem „grünen Konzept" hieß es schon ein Jahr früher: „Die Beiträge auf Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung sollen weiterhin paritätisch je zur Hälfte durch ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen finanziert werden." Sowohl 7,3 als auch 8,2 sind also jeweils die Hälfte von 15,5. Es handelt sich wohl um grüne Arithmetik, von der wir nur verstehen: Auch die Grünen wollen nicht zurück zur paritätischen Finanzierung. Stattdessen wollen sie den Beitrag der Versicherten erhöhen indem sie für Ehepaare und eingetragene Lebensgemeinschaften ein

Splitting einführen. Die Einkommen werden addiert und bis zur doppelten Beitragsbemessungsgrenze zur Beitragszahlung heran gezogen. Verdient der Mann 4.000 Euro und seine Frau 3.000, so zahlt er heute bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Künftig soll er aber von den vollen 4.000 Euro Beitrag zahlen, weil das Paar zusammen nicht mehr verdient als die doppelte Beitragbemessungsgrenze. Da man für den geringeren Verdienst der Frau kaum den Arbeitgeber ihres Mannes verantwortlich machen kann, wird der Arbeitnehmer diesen Mehrbeitrag wohl alleine zahlen müssen.

Einfach, aber dafür noch dreister will der DGB in die Geldbörsen der Versicherten greifen. Durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sollen die Beiträge um bis zu 50 % steigen. Allein ver.di bleibt in der neuen Debatte sehr unkonkret. „Im System wurde bei der Einführung des Gesundheitsfonds eine politisch gewollte Unterfinanzierung verankert.... Dabei ist genug Geld vorhanden. Es ist eine Frage der Verteilung und des politischen Willens, diese Aufgabe für den Erhalt der GKV zu lösen."

Man sieht: So unterschiedlich die Konzepte auch sind, mit der Bürgerversicherung mogeln sie sich nicht nur an der Lösung der wahren Probleme im Gesundheitswesen vorbei, zerstören nicht nur zehntausende Arbeitsplätze in der Versicherungswirtschaft, sondern greifen versteckt hinter einem populären Begriff den Arbeitnehmer auch noch tiefer in die Tasche. Die Versicherten sollen für die Arbeitsplatzvernichtung auch noch bezahlen. Waltraud Baier: „Wir von der Neuen Assekuranz-Gewerkschaft meinen, es ist höchste Zeit die Idee der Bürgerversicherung zu beerdigen."

 

 

 

 

 

 

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