Frust in der Domcura-Belegschaft - Bericht in den Kieler Nachrichten

Kiel, 13.07.2020 - Mitarbeiter fühlen sich nicht angemessen bezahlt und behandelt - Unverständnis bei Vorstandschef Schumacher

Es rumort in der Belegschaft des Kieler Versicherungsunternehmens Domcura. Vor allem geht es ums Geld. Nicht nur die Höhe der gezahlten Einkommen schürt Unzufriedenheit, auch von Willkür, fehlender Gerechtigkeit und mangelnden Perspektiven im Gehaltsgefüge ist die Rede. Neu eingestelltes Personal, so der Vorwurf, werde gegenüber erfahreneren Kräften bevorzugt, und von Gehaltszuwächsen profitieren in erster Linie Führungskräfte.

Die Unzufriedenheit gärt schon lange, doch ein Artikel in den Kieler Nachrichten aus dem Juni brachte  das Fass zum Überlaufen. Unter der Überschrift " Domcura steuert von Rekord zu Rekord" schildert er die positive Entwicklung des Unternehmens. "Das alles ist auch richtig", sagt Marco Nörenberg von der Spartengewerkschaft NAG. "Doch dieses Erfolg haben engagierte Menschen im Unternehmen erarbeitet, die nicht angemessen daran beteiligt werden." Manche Beschäftigte haben den Verdacht, dass in erster Linie der Finanzkonzern MLP - seit 2015 Hauptaktionär von Domcura - von der positiven Entwicklung profitiert.

Das Kürzel NAG steht für "Neue Assekuranz Gewerkschaft". Die vor zehn Jahren gegründete Organisation ist nach eigenen Angaben bundesweit in rund 50 Unternehmen der Versicherungsbranche vertreten. Über die Zahl ihrer Mitglieder macht die NAG keine Angaben, um -so Nörenberg- der Arbeitgeberseite keine Rückschlüsse auf die Kampfkraft zu erlauben. Bei Domcura mit rund 300 Beschäftigten soll der Organisationsgrad rund 25 Prozent betragen.

Die NAG fordert den VOrstand auf, sich nicht nur im Licht der Erfolge zu sonnen", sondern die Beschäftigten "angemessen zu beteiligen". Auch die Gewerkschaft Verdi hat die Entwicklung bei Domcura kritisch im Blick."Es gibt in diesem Unternehmen seit langem eine große Unzufriedenheit" bestätigt Verdi-Nord-Sprecher Frank Schischefsky. Verdi hatte mehrfach Anläufe unternommen, um organisatorisch bei Domcura Fuß zu fassen - vergeblich.

Dass nun die NAG in der Lage wäre eine bessere Bezahlung oder sogar einen Tarifvertrag notfalls per Arbeitskampf durchzusetzen, bezweifelt Schischefsky: "Um einen Arbeitgeber beeindrucken zu können, bruacht man auch finanziell einen langen Atem."

Domcura-Vorstandschef Uwe Schumacher kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Wir befinden uns seit drei Jahren in einem Transformationsprozess, in den wir unsere Mitarbeiter intensiv einbinden." Seit 2016 habe man die Gehälter individuell geprüft und angepasst - im Mittel um 20 Prozent. Zudem verweist er auf "langfristige Investitionen" in die Versorgung des Personals. So sei im vergangenen Jahr für alle Kräfte eine vom Arbeitgeber bezuschusste betriebliche Altersvorsorge eingeführt worden, außerdem seien die vermögenswirksamen Leistungen nahezu verdoppelt worden.

Das alles findet auch NAG-Mann Nörenberg gut, doch könnten derartige Leistungen ein markt- und leistungsgerechtes Gehalt nicht ersetzen. Domcura zahle weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Insgesamt klaffe zum Versicherungstarif eine Lücke von rund 40 Prozent. "Wir kennen diese Zahlen nicht und können sie daher auch nicht nachvollziehen", heißt es vom Unternehmen. Richtig sei vielmehr, dass Domcura eine direkte jährliche Erfolgsbeteiligung als Bonus zahle. Dieser werde "offen und transparent" in einer Zielvereinbarung verankert, die auch den Unternehmenserfolg einschließe. Dieser Bonus liege "über dem üblichen Niveau von Weihnachts- und Urlaubsgeld". Ergänzend dazu habe man immer wieder freiwillige Sonderleistungen an alle Mitarbeiter gegeben. In einem Jahr seien dies 1000 Euro extra gewesen, in einem anderen das neueste iPhone für alle.

Im Gespräch betonen Beschäftigte zwar, dass Domcura kein schlechter Arbeitgeber sei, beklagen neben den fehlenden Gehaltsperspektiven jedoch eine hohe Fluktuation. Der Vorstand kontert: Man gewinne reghelmäßig neue Kollegen, die sich bewusst für Domcura als Arbeitgeber entschieden. Auch viele ehemalige Mitarbeiter kämen "zurück an Bord". Warum zahlt Domcura nicht den Versicherungstrarif? Man sei keine Versicherung, sondern Vermittler, heißt es dazu. Dies bedeute eine deutlich andere Wertschöpfungskette, was sich auch in der Gehaltstruktur widerspiegeln müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die NAG will weiter Druck machen, notfalls per Arbeitskampf. Die Gewerkschaft hat aber ein Problem: Nur wenn eine Arbeitnehmerorganisation genügend Mitglieder hat, um auch mit Streiks Forderungen durchzusetzen, kann sie als tariffähige Gewerkschaft anerkannt werden. Dies hatten mehrere Gerichte der Organisation abgesprochen. Nachdem die NAG vor mehreren Arbeitsgerichten und auch mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe abgeblitzt ist, kämpft sie jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um ihre Tariffähigkeit.


Das ist die Domcura AG

Als Assekuradeut entwickelt und vertreibt Domcura bundesweit mehr als 5000 Makler, Finanzdienstleister und Portale Sachversicherungen, vor allem im Bereich Gebäudeschutz. Das Unternehmen mit gut 300 Beschäftigten berechnet Risiken und Prämien und übernimmt die Regulierung von Schäden. Risikoträger sind namhafte Versicherungen, darunter die Allianz. Seit fünf Jahren gehört die 1980 als Familienunternehmen gegründete Domcura zum Finanzkonzern MLP. Nach einer Durststrecke vor einigen Jahren geht es wirtschaftlich aufwärts. Bei der Zahl der Kunden - aktuell rund 800 000 - peilt das Unternehmen die Marke von einer Million an. Für 2020 erwartet der Vorstand Beitragseinnahmen von mehr als 300 Millionen Euro.


(Mit freundlicher Genehmigung der Kieler Nachrichten / Ulrich Metschies für die Veröffentlichung des Nachrichtentextes)

 

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